Prolog

Der Aufbau und die Führung eines Unternehmens ist eine Aufgabenstellung, die für den Unternehmer das Zentrum seiner Gedanken und seiner Energie darstellt. Doch nicht nur für ihn. Es handelt sich um ein Projekt der gesamten Familie. Oftmals nimmt das Unternehmen die Position eines virtuellen Familienmitglieds ein, das alle Aktivitäten und Planungen des Familienlebens permanent begleitet hat. Phasenweise sogar als dominanter Faktor des Familienalltags. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Gedanke an Distanz / Abschied, an Übergabe der Verantwortung in andere Hände, gar die Veräußerung und Trennung vom Lebenswerk für manchen Unternehmer belastenden Emotionen entwickelt. Um dies zu vermeiden wird das Thema oftmals gänzlich verdrängt. Und deren Verdrängungsbeharrlichkeit sich mit zunehmender Zeitdauer und nachlassender Kräfte (auch in Bezug auf die Begleitung von Entwicklungen) erhöht und verfestigt.

Parallel dazu vereinfacht der Übergebende das Projekt Übergabe für sich selbst. Wie komplex der tatsächliche Prozess einer Unternehmensnachfolge ist wird dabei völlig übersehen. Neben den betriebswirtschaftlichen, finanziellen, rechtlichen, steuerrechtlichen Themen muss auf Ebenen gearbeitet werden, die meist nicht im Fokus des bisherigen Kompetenzprofils gestanden haben: Umgang mit Emotionen (persönliche, familiäre, Mitarbeiter, …), soziologische Aspekte (persönliche Stellenwert in der Gesellschaft, Strahlkraft der sozialen Positionen aufgrund der eigenen gesellschaftlichen Rolle, ..), Definition des eigenen Selbstverständnisses, Quellen des eigenen Selbstbewusstseins, Umgang mit der verfügbaren Zeit nach erfolgter Übergabe, persönliche Zielsetzungen, Abgabe von Verantwortung, Selbstdisziplin und vieles mehr. Es sind also die „weicheren“ Themen angesprochen, die im eng getakteten Tagesablauf intensiver Aufbau und Entwicklungsphasen des Unternehmens im Regelfall eine geringe Bedeutung erfahren haben. Daher ist die Gestaltung eines vorausschauenden Prozesses und der Begleitung durch kompetente Sparringspartner ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge. Für die Person des Unternehmers, für die Unternehmerfamilie, das Unternehmen selbst wie auch für die gesamte Volkswirtschaft.

 

1. Ausgangssituation

Zusammenfassung

Das Thema Unternehmensnachfolge ist ein dauerhaftes Thema aller Wirtschaftssektoren, das in den kommenden Jahren durch die demografische Entwicklung stark an Bedeutung gewinnt. Das Potential von Unternehmen, die vor einer Übergabe stehen, wird aufgrund fehlender amtlicher Statistiken seitens des IfM Bonn1 auf ca. 150.000 Unternehmen mit rund 2,4 Mio. Beschäftigten für den Zeitraum 2018-2022 geschätzt. Diese Daten werden aufgrund einer nachgelagerten Bewertung auf Basis der Gewerbeanzeigestatistik als verlässlich bestätigt. In welchen Formen – familienintern, unternehmensintern, oder –extern – Nachfolgen tatsächlich erfolgen, ist statistisch jedoch nicht verifiziert. Die Analysen des IfM Bonn1 gehen jedoch davon aus, dass ca. die Hälfte der vor Nachfolgefragen stehenden Familienunternehmen ihr Unternehmen innerhalb der Familie übergeben. Etwa 18% der Familienunternehmen werden von Mitarbeitern übernommen und die restlichen 29% werden an Externe Übernehmer verkauft.

Bei allen Unternehmensübergaben geht es nicht nur um persönliche Entscheidungen von Abgebern und Übernehmern. Es sind in jedem Fall die Existenzen und finanziellen Verhältnisse von Unternehmerfamilien betroffen.

Darüber hinaus geht es um zentrale Entscheidungen für das Unternehmen, für die Mitarbeiter sowie für die Struktur der gesamten Volkswirtschaft. Denn kleine und mittlere Unternehmen prägen ganz entscheidend die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die statistischen Zahlen verdeutlichen die Dimension und die davon betroffene Anzahl an Arbeitsplätzen. Daher stellt die Sicherung gelingender Nachfolgen, und damit teilweise auch gelingender Existenzgründungen eine bedeutende Aufgabe für Wirtschaft und Politik dar3.

 

Potential: rund 150.000 Unternehmen mit ca. 2,4 Mio. Beschäftigten 2018-2022.

  • ca. 50% Nachfolgen familienintern
  • ca. 18% Nachfolgen EbO (employment buy out)
  • ca. 29% Übernahme durch externe Übernehmer

Dennoch zeigt sich, dass sich eine Vielzahl von Unternehmern im familiengeführten Mittelstand nicht oder nicht rechtzeitig mit der eigenen Nachfolge beschäftigt. Auch wenn sich eine Anzahl der Familienunternehmer auch im Alter von 70+ noch zu jung für eine Nachfolge fühlen, fehlt es bei der überwiegenden Anzahl der Fälle gänzlich an einem Nachfolgekonzept. Manchmal sorgt auch die Beschäftigung mit dem eigenen Ableben für emotionale Probleme, die Gedanken an eine Nachfolge unmöglich machen.

Dabei ist eine frühzeitige Beschäftigung mit der Nachfolgefrage von großer Bedeutung, denn eine Unternehmensnachfolge braucht Zeit und eine gute Vorbereitung. Es ist von einer Zeitspanne von 2-4 Jahren2 zwischen den ersten Gedanken und einer erfolgreichen Übernahme auszugehen. Innerhalb dieser Zeit sollte das Unternehmen für eine Nachfolge fit gemacht, Ertragspotentiale gehoben und die Bilanz bereinigt werden. Durch die Kombination von Corona-Krise und demografischer Entwicklung wird die Sicherung der Nachfolge zum wichtigsten Thema des Mittelstandes. Denn Unternehmer müssen in  (branchenspezifisch unterschiedlich) konjunkturell schwierigen Zeiten Nachfolger für Ihre Mitarbeiter, Geschäftsführer und auch sich selbst suchen.

 

2. Aspekte für eine gelingende Nachfolge

Eine gelingende Unternehmensnachfolge setzt die Auseinandersetzung mit wichtigen Erfolgsfaktoren voraus³:

  • Ausreichend Zeit für die Gestaltung des gesamten Prozesses inkl. der Durchführung von Korrekturen und Optimierungen
  • Beschäftigung mit den Zielen des Abgebers
  • Bewertung der Potentiale des Unternehmens (Produkte/Leistungen / Know-How / Kernkompetenzen / Marktfähigkeit des Geschäftsmodells / Veränderungsfähigkeit / uvm )
  • Entwicklung einer realistischen Preisvorstellung des Abgebers
  • Bearbeitung betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Fragestellungen
  • Bearbeitung menschlicher und emotionaler Themen
  • Rechtliche und steuerrechtliche Aspekte à Gestaltungszielsetzungen
  • Umfassende Interessentenansprache über den regionalen Bereich hinaus
  • hohe Deckungsgleichheit zwischen Abgeber und potentielle Übernehmer hinsichtlich einer gelingenden Übergabe
  • Transparente Projektgestaltung
  • Sicherung des Verkaufsprozesses und der vereinbarten Eckpunkte durch eine LOI (Letter of Intent) Vereinbarung

>  Vorbereitungszeit

>  Ziele

>  Realistische Bewertung

>  Projektplan

 

3. Relevante Gründe für das Scheitern einer Unternehmensnachfolge

Ebenso lassen sich Faktoren benennen, die im Falle gescheiterter Unternehmensübergaben als ursächlich angesehen wurden. Im Regelfall wirken in einem solchen Prozess mehrere Faktoren gleichzeitig zusammen und entwickeln eine Systematik selbstverstärkender (Konflikt)Energie.

  • zu später Beginn der Nachfolge
  • zu starke Verstrickung ins Tagesgeschäft
  • zu starke Klammerung des Unternehmers an den Betrieb
  • ein Abschied vom Betrieb ist nicht vorstellbar
  • nicht vorhandene Beschäftigungsstruktur und Aktivitäten nach der Übergabe des Betriebs
  • ungeeignete (designierte) Nachfolger
  • zu starker Zuschnitt des Unternehmens auf die Person des Unternehmers (seine individuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten sind das alleinige Erfolgspotential und lassen sich nicht übertragen)
  • fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens (technisch veraltet, keine marktfähigen Produkte / Leistungen, Standortfaktoren, Wettbewerbsverdrängung, fehlende / mangelnde Digitalisierung)
  • fehlende Veränderungsfähigkeit / -bereitschaft des Personals
  • Personalstruktur und vorhandene Kompetenzen
  • Unrealistische Vorstellungen des Verkaufspreises
  • zu langes Festhalten an unrealistischen Verkaufspreisvorstellungen à parallel dazu Erosion der Attraktivität und Leistungskraft des Unternehmens
  • Hoffnung auf familieninterne Nachfolge wird zu lange verfolgt; zu späte Suche nach geeignetem Nachfolger / zu später Aufbau eines Nachfolgers
  • zu später Aufbau eines Nachfolgers
  • Finanzierung der Betriebsübergabe scheitert (zu geringes EK des Übernehmers für einen kapitalintensiven Betrieb)

> Verdrängung Nachfolge               

> Unternehmen ist auf die Person des Unternehmers fixiert 

> fehlende Wettbewerbsfähigkeit                                   

> zu kurze Zeitspanne

 

4. Gründung ist besser als Schließung – Relevanz gelingender Nachfolgen

Jeder Unternehmer sollte sich darüber im Klaren sein, dass die einzige Alternative zu einer tragfähigen Nachfolgeregelung die Betriebsschließung ist³. Die Unternehmensübergabe stellt also die weitaus bessere Lösung dar. Die daraus folgenden Vorteile

für den Abgeber

  • das Lebenswerk des Unternehmers / der Unternehmerfamilie wird fortgeführt
  • die Arbeitsverhältnisse werden weitergeführt. Der Unternehmer muss also keine Kündigungen durchführen.
  • der Verkauf des Betriebs als Einheit hat einen höheren Wert als der Wert der Einzelteile.
  • Immaterielle Werte (Firmenwert) können realisiert und materialisiert werden.
  • Nutzung von Steuervorteilen wenn der Betrieb als Ganzes veräußert wird
  • Sicherung der Altersversorgung mit großem gestalterischen Potential (Einmalzahlung, Miete, Pacht, Rente)
  • kann der Unternehmer eine Mitwirkungsperspektive im Unternehmen gestalten. Bspw. über einen Beratervertrag oder eine klar definierte Aufgabe mit Titel und Verantwortungsbereich.

für den Übernehmer

  • Kundenbeziehungen und eine Kundenkartei (CRM) sind vorhanden
  • Unternehmen hat Namen, Bekanntheitsgrad, Image
  • Team von eingearbeiteten und erfahrenen Mitarbeitern ist vorhanden
  • Funktionsfähige Strukturen (Aufbau- und Ablauforganisation) sind vorhanden
  • Erfahrungswerte wie Kalkulationsgrundlagen und Auftragsabwicklung sind vorhanden
  • Auftragspotential wird übernommen
  • Liefer-, Wartungs- und Abnahmeverträge sind vorhanden
  • Lieferantenbeziehungen sind vorhanden
  • Netzwerk (innerhalb Branche und zu anderen Anspruchsgruppen) ist vorhanden
  • Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist anhand Bilanz / G+V bewertbar (zumindest für die Vergangenheit)
  • Betriebsausstattung (Maschinen, Einrichtungen, Bedienungs-Know-How) ist vorhanden und eingespielt
  • Beziehungen zu Kreditinstituten sind vorhanden. Die Geschäftsbeziehung kann fortgesetzt werden.
  • Bestehende, aktive Verträge können fortgesetzt werden. Zumindest können Veränderungen aktiv gestaltet und gestaltet werden.

 

Fazit:

Die Vielzahl der unterschiedlichen Themenbereiche, Aspekte und Punkte macht deutlich, dass der Prozess einer gelingenden Nachfolge

  • verschiedene Projektphasen
  • spezifisches Expertenwissen unterschiedlicher Fachgebiete
  • eine vorausschauende Projektplanung
  • durchgängige Projektkoordination

erfordert.

 

„Eine gelingende Unternehmensnachfolge  erfordert ein ganzheitliches Leistungskonzept für  Nachfolge und Existenzgründung mit dem  Ziel, den Fortbestand des Unternehmens  durch Übergang zu sichern“ 

 

5. Produktkonzept Nachfolge

Ein Nachfolgeprojekt umfasst spezifische Aufgabenstellungen, deren thematische und zeitliche Gliederung für einen effizienten Projektverlauf sinnvoll ist. Um den Prozess steuer- und handhabbar zu gestalten, benötigt es voneinander abgegrenzte Projektphasen. Der Prozess ist in fünf aufeinander aufbauende Phasen gegliedert, die jeweils spezifische Themen- und Aufgaben eines Nachfolgeprojektes in den Mittelpunkt der Arbeit stellen. Mit jeder Phase steigt der Grad der Operationalisierung im Projektverlauf, und damit der Konkretisierungsgrad der Übergabe eines Unternehmens:

 

Phase I   Projektierung –  Bewertung des Nachfolgeprojektes / des Unternehmens / des Verkäufers | Abgebers / ggf. des designierten Nachfolgers

Phase II  externe Nachfolge Kandidatensuche

Phase III  Vorbereitungsphase

Phase IV  Umsetzungsphase „Sicherheit für eine gelingende Nachfolge schaffen“

Phase V  Transformationsphase Begleitung der Startphase nach erfolgter Übergabe

 

 

Jedes Unternehmen verfügt über eine individuelle Unternehmenskultur. Eine gelingende Unternehmensnachfolge setzt ein maßgeschneidertes Konzept voraus, das die individuellen Erfordernisse berücksichtigt. Dabei aber in einen festen Rahmen eingebunden ist. Mit den dargestellten fünf Phasen ist der Gesamtrahmen definiert. Der durch die bedarfsgerechte inhaltliche Gestaltung der jeweiligen Phasen mit unterschiedlichen Modulen und Tools zielführend und effizient gestaltet wird.

 

 

 

¹ IfM Bonn: Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2018 bis 2022; Daten und Fakten Nr. 18

² Zeitschrift Küchenhandel 04/20, Betriebswirtschaft

³ Geregelte Unternehmensnachfolge Robert F. Neumaier